Als ich dieses Buch veröffentlichte, überfielen mich starke Selbstzweifeln, denn ich musste
schreiben, dass es ein Roman ist. Was die
Personen angeht, stimmt das auch. Es gibt keinen Ed Sullivan, Akke Salander, keinen Pakistani
mit Namen Salih und auch die anderen Personen existieren nicht. Bei Sheikh
Turki hingegen gerate ich ins Grübeln und bei Jean Delong entdecke ich ein paar
Muster aus meiner eigenen Vergangenheit. Es ist eine gefährliche Sache mit der
Fantasie. Manchmal geht sie mit mir durch, und dann schreibe ich die Wahrheit.
Ich war viele Jahre im Nahen Osten und in Nordafrika unterwegs. In Riad, Dschidda und Yanbu habe ich Hospitäler mit Computern und Software ausgestattet, damals in Zusammenarbeit mit einem Briten aus London, den ich der Kürze halber Garry nennen möchte. Wir hatten mit der Royal Commission zu tun, ein ausschließlich aus US-Amerikanern zusammengesetztes Beratergremium des saudischen Königs. Damals wie heute wird in KSA keine Schraube bestellt und installiert, die nicht von diesem Gremium abgesegnet ist. In Dschidda lernte ich Turki kennen, der sich gerne Sheikh nennen ließ. Er führte mich in die Royal Commission ein, und ohne ihn hätte ich nichts verkauft. Turki wurde mein Sponsor, mein Kafala.
Turki hatte
eine hübsche, lebenslustige Tochter, die sich, versteckt unter einer Decke auf
dem Rücksitz meines Autos, Zugang zu einem britischen Compound mit Restaurant,
Kino und Bowlingbahn verschaffte, um ein wenig Abwechslung vom strengen Leben
einer Frau im Königreich Saudi Arabien zu haben. Sie hatte in London und Paris
studiert und wusste, wie sich das Leben jenseits der hohen moslemischen Mauern
anfühlt. Vereinfacht gesagt - ihr fiel die saudische Decke auf den Kopf.
Natürlich war sie bei ihren Ausflügen unverschleiert und ihre Kleidung hatte
sie in den gehobenen Modeboutiquen von Paris erstanden.
Sheikh Turki
und seiner Frau Nour verdanke ich tiefe Einblicke in die saudische
Gesellschaft, die dem normalen Geschäftsreisenden verborgen bleiben. Dafür bin
ich sehr dankbar. Ohne den engen Kontakt zu Turki und seiner Familie wären
meine Reisen nach Dschidda nicht so einträglich und auch weniger unterhaltsam
gewesen. Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass ich die eine oder andere
Reise nach Dschidda ohne zwingende geschäftliche Notwendigkeit unternommen
habe. Es waren aufregende Urlaubsreisen. Die abendlichen Treffen zum Dinner in
Turkis Haus, nicht weit vom Roten Meer, und die vielen Gespräche mit seinen
saudischen Freunden und den illustren ausländischen Gästen, waren so ganz
anders als das, was man sich in Deutschland unter einem Dinner vorstellt. Saudi
Arabien hat zwei Seiten - das offizielle vom Koran reglementierte Leben und das
inoffizielle Leben in den Familien und Clans.
Zu einem
besonders tiefen Einblick in die saudische Denkweise bekam ich Gelegenheit, als
ich in der Innenstadt von Dschidda ein altes Haus aus Lehmbacksteinen
fotografieren wollte. Ich hatte übersehen, dass neben dem Haus mehrere tief
verschleierte Frauen auf den Bus warteten. Ein neben mir stehender Saudi
glaubte, ich hätte die Frauen fotografiert und rief die Polizei. Keine fünfzehn
Minuten später saß ich in einem saudischen Gefängnis. Turki, mein Kafala, hat
mich rausgeholt. Es war knapp. Wie knapp, wurde mir erst hinterher so richtig
bewusst.
Ich gebe
allerdings zu, dass auch die in Saudia lebenden Ausländer Sonderlinge waren,
zumindest in der Weise, dass sie ihre Heimatländer innerlich verlassen hatten,
aber in Saudia nicht angekommen waren. Sie waren - könnte man so
sagen - heimatlos. Kurt war so ein Sonderling, er stammte aus Köln. Er lebte in
einem Wohnwagen, den er während der Woche an der Außenmauer eines abgegrenzten
Areals, Compound genannt, abgestellt hatte. Mit seinem Wohnwagen waren wir
beweglich und konnten weitab der wachsamen Augen der Religionspolizei so
bekleidet baden und tauchen, wie wir es für richtig hielten.
Dann war da
noch Josef, Libanese mit britischem Pass, der für eine norwegische Firma
Feuerlöschfahrzeuge verkaufte. Er hatte gut zu tun, denn es brennt oft in
Saudia. Als einer der wenigen Ausländer hatte er seine britische Frau
mitgebracht. Sie lebten in einem Compound, und er war es, der Kurts Wohnwagen
mit einem Kabel über die Mauer mit Strom versorgte.
Garry lebte
mit seiner Frau Ruth in Riad. Mit Garry war ich häufig in Saudia unterwegs,
immer der Royal Commission auf den Fersen, oder sie uns. Garry belieferte die
Hospitäler mit Computern der mittleren Datentechnik von Hewlett and Packard,
ich war für die Software zuständig. Garry’s Frau Ruth war Krankenschwester am
King Faisal Hospital in Riad. Ohne Ruth’s beratende Unterstützung, hätten meine
Programme niemals den Weg ins Rechenzentrum der Hospitäler gefunden, denn die
Geschlechtertrennung gilt auch in den Computern. Nicht auszudenken was
geschehen könnte, wenn ein saudischer Mann und eine saudische Frau sich,
verschlüsselt in Bits und Bytes, vielleicht sogar noch unverheiratet, in einem
Computer begegneten.
Ruth hatte
über die Organisation eines Krankenhauses weit hinausgehende Fähigkeiten - sie
war zuständig für die private Bierbrauerei und die Destillation des Fusels. Was
zur Folge hatte, dass ich meistens bei Ruth und Garry auf dem Sofa schlief,
wenn ich in Riad war. Neben Antibabypillen für saudische Frauen hatte ich auch
die Utensilien für Mini-Bierbrauerei im Handgepäck, wenn ich die
Einreisekontrolle in Dschidda oder Riad passierte. Pulver und Pellets für das
Bier in Papiertüten, die nach dem Aufdruck vormals Zucker oder Mehl enthielten,
die Antibabypillen in Schachteln mit dem Aufdruck Kopfschmerztabletten oder
Hustenbonbons.
Das Leben in
Beirut, Amman und Damaskus war ganz anders. Damaskus war eine weltoffene Stadt.
Ich habe Frauen in Röcken gesehen, die wegen ihrer Kürze auch in Düsseldorf auf der Königsallee aufgefallen wären. Beirut nannte man nicht
ohne Grund Paris des Nahen Ostens. Ich will nicht behaupten, die Menschen
lebten in Demokratien nach unseren Vorstellungen, aber sie lebten frei und
ungezwungen, mussten sich lediglich politisch an einige Regeln halten, die auch
in westlich orientierten Ländern nicht gänzlich unbekannt sind. Heute versinken
diese Länder in Schutt und Asche. Ich bin überzeugt, die Menschen dort haben
sich Demokratie ganz anders vorgestellt, als in Tunesien der Arabische Frühling
ausbrach.
Abgesehen von
solchen Erlebnissen ist das Königreich Saudi Arabien ein gespaltenes Land, und
daran wird auch der junge Kronprinz Mohammed bin Salman al-Saud so schnell
nichts ändern. Er müsste die Köpfe der Menschen reformieren und das braucht
Generationen. Dagegen steht auch die Geopolitik der USA, die sich - zumindest
was Saudi Arabien und einige andere arabische Staaten betrifft - nicht am Wohl
der Menschen, sondern ausschließlich an eigenen Interessen orientiert. America
First ist keine Erfindung des derzeitigen Präsidenten, das Paradigma galt auch
für die Präsidenten vor ihm. Saudi Arabien steht auf der Beliebtheitsskala der
USA mit an oberster Stelle, gleichgültig, wie Frauen behandelt werden, wie
Fremdarbeiter von den Philippinen, Indien oder Bangladesch leben müssen, mit
welcher Härte und wie oft die Todesstrafe vollstreckt wird.
Ein weiterer
zwingender Grund für die engen Verbindungen Saudias mit den USA, dürften die
engen Verflechtungen der reichen saudischen Familien und des Königshauses mit
US-Firmen sein, die unter dem Strich etwa 6 bis 7 Prozent des Börsenwertes der
Wall Street ausmachen sollen. Hinzu kommt etwa eine Billion US-Dollar
saudisches Guthaben bei den US-Banken. Nicht auszudenken, diese Familien würden
ihre Aktien abstoßen, ihre Guthaben abziehen. Eine dieser Familien ist die
bin-Laden-Familie, die zweitreichste Familie des saudischen Königreiches. Wenn
jetzt jemand an Al Qaida und 9/11 denkt - tut mir leid, ich habe die Fakten
nicht zu verantworten. Warten wir auf die vollständige Veröffentlichung der
ominösen 28 Seiten des Berichts der 9/11-Kommission. Man hört, sie stehe kurz
bevor. Diese bisher immer noch geschwärzten Seiten des Berichts der
unabhängigen Kommission des Kongresses beschäftigen sich weitgehend mit den
Verbindungen Saudi Arabiens einerseits und den USA und der Familie Bush
andererseits.
An dieser
Stelle verweise ich auf den Film Fahrenheit 9/11 von Michael Moore, dem ich
wertvolle Hinweise entnommen habe. Unter anderem den Wert der saudischen
Investitionen in den USA, wie auch die engen Verbindungen des Bush-Clans mit
KSA und der Familie bin Laden. Über drei Jahrzehnte hat nach Michael Moore die
Bush-Familie etwa 1,4 Milliarden US-Dollar für Beraterverträge kassiert. Der
Film ist eine Dokumentation und wenn man ihn gesehen hat, versteht man sofort,
weshalb Michael Moore bei den Reichen und Mächtigen der USA so unbeliebt ist. Michael
Moore weiß, wovon er redet, und aus gutem Grund hat er für einen seiner Filme
einen Oscar bekommen.
Der amtierende
Präsident der USA Donald Trump wie auch seine Vorgänger George W. Bush und
Barack Obama machen es mir schwer, hinter den Handlungen der US-Militärs im
Nahen Osten, den Bomben und False-Flag-Operationen, positive Absichten für die
dort lebenden Menschen zu erkennen.
Ein Hinweis - es lohnt sich, gelegentlich vorbeizuschauen. Diese Seite wird permanent aktualisieren. Das gilt auch für die Sammlung zu DER PLAN.
Valencia Juli 2018